Stanley Ratifo: Ein Fußballheld im Land des Vaters
Sebastian Kapp, Pforzheimer Kurier, 20.12.2018
Für das eigene Land zu spielen ist für viele Sportler eine große Ehre. Nicht immer geht es dabei aber so glamourös zu wie bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. In einer Serie stellt der Pforzheimer Kurier daher Mannschaftssportler aus Pforzheim und dem Enzkreis vor, die trotz ihres Könnens eher unbekannt sind. Den Anfang macht Mosambiks Fußballnationalspieler Stanley Ratifo vom 1. CfR Pforzheim.
Maputo/Pforzheim. Es ist der 10. Juni 2017, als sich Fußballer Stanley Ratifo in die Geschichtsbücher einträgt und den Grund dafür liefert, warum er am Flughafen in Mosambik von wildfremden Menschen hochgehoben und auf Händen getragen wird. „In der Geschichte hat Mosambik noch nie gegen Sambia gewonnen. Da muss schon jemand aus Europa kommen“, erklärt der Spieler des 1. CfR Pforzheim mit einem Grinsen. Ratifo ist neben
Vincenzo Grifo (TSG Hoffenheim, Italien) und der früheren türkischen Auswahlspielerin Dilek Zengin (FV Niefern) der einzige Fußball-A-Nationalspieler in der Region.
Ein Jahr nach seinem furiosen Treffer in der Nachspielzeit, dank dem Mosambik am 22. März 2019 die Chance hat, sich für den Afrika-Cup zu qualifizieren, wechselte Ratifo vom 1. FC Köln II zum CfR – hier spielt er vor zumeist weniger als 500 Zuschauern. „In Mosambik habe ich schon vor 42 000 gespielt“, sagt der Nationalspieler eines Landes, das viele Deutsche auf dem Atlas erst einmal suchen müssen. „Auf dem Feld spürt man diese Euphorie. Dort gibt’s halt nicht viel, da sind alle fußballverrückt. Das schwappt natürlich auch über“, sagt Ratifo.
Jeden Winkel in Mosambik kenne er allerdings auch nicht. Ratifos Vater stammt aus dem südostafrikanischen Land, die Mutter aus Deutschland. Ratifo selbst ist in Halle an der Saale geboren. „Es bedeutet viel für mich, für Mosambik zu spielen und meinen Vater glücklich zu sehen“, sagt Ratifo. „Ich fahre auch gerne in den Urlaub nach Mosambik, aber ich fühle mich mehr zuhause in Deutschland.“ Fußballerisch ist Mosambik, 117. der Fifa-Weltrangliste, bislang kaum in Erscheinung getreten. Ein paar Teilnahmen am Afrika-Cup, das war auch alles. Nun ja, fast. Denn bevor Mosambik 1975 unabhängig wurde, gehörte das Land zu Portugal, seine Spieler kickten für die Kolonialnation. Unter anderem auch der größte Sohn Maputos, der mosambikanischen Hauptstadt: Eusebio, Torschützenkönig der Weltmeisterschaft 1966 in England und WM-Dritter.
Von solchen Würden hat sich Ratifo gedanklich allerdings mit seinem Wechsel nach Pforzheim verabschiedet. „Mein Ziel ist es, beim Afrika-Cup dabei zu sein. Mit der Bundesliga habe ich abgeschlossen.“ Auf Händen getragen werden möchte er künftig lieber dank seiner Musik. „Und das wird kommen“, sagt er selbstbewusst. Auch deshalb hatte er sich trotz zahlreicher Angebote renommierterer Vereine für die baden-württembergische
Fußballprovinz entschieden, die ganz ohne Vuvuzelas und Heldenverehrung auskommt.
Diese drei Ebenen – Musik, Mosambik und CfR – unter einen Hut zu bekommen sei nicht so leicht. „Ich versuche, in Pforzheim so viele Trainings wie möglich mitzumachen. Alle um mich herum akzeptieren diese Situation“, sagt er. „Ich weiß, dass ich für eine längere Zeit beim CfR bleiben möchte. Es
ist hier alles familiär. Jeder versucht, jedem zu helfen. Und mit dem Team komme ich sehr gut klar.“
Von der Qualität des schnellen Außenstürmers konnten sich die Pforzheimer schon öfters überzeugen. Bereits in der Partie gegen Bayer Leverkusen
spielte er die Bundesliga-Abwehr schwindelig, in der Oberliga gelingt ihm das ebenso souverän. Einzig mit dem Toreschießen stand Ratifo zunächst
auf Kriegsfuß, das Gros seiner vier Saisontore schoss er gegen Ende der Hinrunde. Das Wort „Chancentod“ geisterte da bereits durchs Holzhofstadion.
Ratifo allerdings blieb cool. „Ich sehe das nicht so verklemmt. Ich bin ganz sicher nicht der Typ, der dann denkt: Oh Gott, warum treffe ich nicht?“, sagt er und kündigt an: „Ich kann Tore schießen, und das wird auch noch öfter passieren.“
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